Irgendwie hatte er es über die Türschwelle geschafft, nur um direkt nachdem besagte Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war wie der sprichwörtliche nasse Sack zusammenzubrechen. Gregory hatte ihn so gefunden. Wobei “gefunden” wohl das falsche Wort war, immerhin wich ihm der Mann kaum von der Seite. Er hatte ihn aufgehoben und ins Schlafzimmer getragen, ihn dort auf dem Bett abgelegt und alle Rollläden geschlossen.
Mascha wollte noch vorbei kommen. Er hatte sie selbst danach gefragt. Noch war er keine zwei Minuten wieder in den eigenen vier Wänden – und doch hatte er schon keine Kraft mehr um darüber nachzudenken, was passieren würde wenn Mascha unten an die Tür klopfte, Greg ihr öffnete und ihr freundlich zu verstehen gab, dass er in keiner Verfassung mehr war Besuch zu empfangen. Wahrscheinlich, so hätte er gedacht, hätte er die Kapazitäten dafür noch übrig gehabt, würde sie einfach nur skeptisch dreinblicken, nicken und wieder gehen. Immerhin konnte ihr sein Zustand reichlich egal sein. Und in ihr sah man das Raubtier stärker am Verhalten. Wenn sie ihn so sah, dann sah sie ihn schwach. Schwach auf eine Weise, die nicht in ihr Weltbild passen würde. Etwas, das sich selbst ausselektieren würde. Wofür einer so schwachen Kreatur helfen? Aber in seinem Kopf gab es hierfür keinen Platz. Die gute Schallisolation auf die beim Kauf der Wohnung extra geachtet wurde war alles was man hatte tun können um seinen Nachbarn den lauten Schmerzensschrei zu ersparen.
Ihr Clansbruder, Thomas, würde wahrscheinlich nichts bemerken. In letzter Zeit hatte er kaum noch auf Schreiben reagiert. Und wenn, dann sehr spät. Die meisten blieben unbeantwortet. Ihm würde nicht auffallen wenn der wöchentliche Bericht ausblieb. Wenn die Schwerter kein Wort wechselten. Wenn kein persönliches Wort an ihn gerichtet wurde. Thomas wiederum hätte geholfen, sofern er gekonnt hätte. Allen möglichen Unsinn hätte er erzählt und Nate damit nur noch weiter in den Wahnsinn getrieben. Wahrscheinlich war es gut, dass er nicht hier war.
Jason… Jason würde die Stille vielleicht bemerken, die nun zwangsläufig folgen würde, weil sein Bruder es nicht einmal schaffte sich für zwei Minuten aufrecht hinzusetzen. Aber Jason war Profi. Er würde es abtun als – irgendetwas wichtiges, das der Senator eben gerade zu tun hatte. Für ihn und Mascha hatte er in dieser Nacht so viel gelogen und so viel über sich selbst offenbart, dass er jetzt eigentlich nur noch beten konnte Hope hatte den Köder geschluckt. Sie hatte ihn gefragt, ob er von dem Verhältnis wisse. Und er? Er hatte gesagt, er wisse lediglich von einer professionellen Zusammenarbeit. Jason wiederum hatte von etwas geschrieben, dass die anderen finden konnten – statt der Wahrheit. Und hätte er selbst es völlig abgestritten, so hätte er Hope nur noch mehr Grund gegeben weiter nachzubohren. Denn eines war sicher: Sie glaubte ihm bestenfalls 10 % von dem, was er ihr sagte. Also hatte er das Beste daraus gemacht. In der Hoffnung an den richtigen Stellen gelogen zu haben. Nur… Wussten weder Mascha noch Jason davon. Der Gedanke an seinen Bruder wollte ihn weinen lassen. Körperlich gesehen war er keine Bedrohung für die Frau, die Jason so sehr verändert hatte, dass der Mann streckenweise Angst vor sich selbst zu haben schien und ihn die Paranoia deutlich veränderte. Dennoch hatte er sie in die Knie gezwungen. So effizient, dass sie die nächste Viertelstunde kein Bein unter sich bringen konnte. Er hatte es genossen sie an etwas scheitern zu sehen, dass für ihn jede Sekunde seiner Existenz darstellte. Und für einen kurzen Augenblick hatte er sogar glauben wollen, dass sie jetzt, in diesen kurzen Momenten, wirklich verstand. Hatte er für seinen Bruder Rache nehmen wollen? Zur Hölle, ja! Aber das würde nie jemand wissen.
All das war nicht woher die Schmerzen kamen. Die, die ihn jetzt seinen Kopf in den längst rot getränkten Kissen vergraben ließen. Warum hatte er sich von ihr verprügeln lassen? Warum hatte er nicht ein einziges Mal die Hand gegen sie erhoben? Warum ließ er sich Verräter nennen? Und ihn Zuhälter? Jason und sich selbst eine Hure ausgerechnet des Mannes, der ihnen von allen Anwesenden wahrscheinlich am wenigsten schaden wollte? Warum hatte sie Nate geküsst? Warum hatte der Betbruder ihn geküsst, als er gerade dabei war zu gehen? Und am Schlimmsten: Warum um alles in der Welt hatte er zugelassen, dass sie ausgerechnet ihn, den Immertreuen, küsste?
Er hasste diese Art von Fragen. Es waren die, auf die man in den seltensten Fällen Antworten erhielt. In Gedanken gab er sich eine Woche, vielleicht zwei. Dann würde er zu Pearse kriechen müssen – oder irgendjemanden ihres Blutes – der diese verdammten Fragen aus seinem Kopf brannte. Und bis dahin? Viel unerträgliche Einsamkeit, deren Aufbrechen er fast ebenso schlecht ertragen würde, weil er nicht zulassen konnte und vor allem nicht wollte, dass ihn jemand so sah. Noch viel weniger die Leute, von denen er tatsächlich etwas hielt. Er, der sonst für alle nur Verachtung aufwenden konnte und sich dennoch jeden Abend neu in die Welt verliebte.
Jeden von ihnen hätte er dafür gehasst zu erscheinen. Trotzdem fehlten ihm Maschas skeptische Blicke, die ihm sagen wollten er hatte das hier zu überwinden. Schnell. Auch wenn er wusste er konnte nicht. Ihm fehlte Thomas’ leeres Gerede über – was auch immer dem Mann gerade einfiel. Ihm fehlte Jasons leeres Lächeln das schlicht nicht wichtig war. Weil es nicht dieses Lächeln war, was zählte. Sondern die Tatsache, dass er hier war. Nicht weggelaufen. Nicht da draußen auf den Straßen. Völlig unprofessionell einfach nur hier. Und ihm fehlte das wenig tröstliche Schweigen des Mannes, dessen größter Fehler seinen Namen trug.
“Greg…”
“Yes, Sir.”
“She must not come here… Under no circum-gnnnh!”
“Yes, Sir. I already told her not to enter the appartment.”
“And you will-”
“Yes, Sir.”
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