Strange Tree

Es ist soweit. Nach über einem Jahr also ist es gelungen, den giftigen Atem dieser Frau loszuwerden. Ronyssa hat es überstanden. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es ebenso lange durchgehalten hätte an ihrer Stelle. Es fühlt sich seltsam befreiend an. Dabei war sie wörtlich die Einzige, die in dieser Sache jemals Schwierigkeiten gemacht hat.

Der Haushalt ist ein seltsames Gewächs, das hier und da blüht, an anderen Stellen Auswüchse annimmt, die man so nicht an diesem Baum erwartet hätte. Manchmal trägt er überraschende Früchte.

Mara Auenwind wurde ausgesandt, ein Ohr zu sein an Orten, an denen ich es so nicht selbst sein kann. Sie ist naiv, gutgläubig – aber genau das könnte an dieser Stelle gebraucht sein. Auch die Löwin stimmt darin überein.

Die Löwin selbst hat nun ihren Bruder wieder gesehen. Sie hat tiefen Respekt vor ihm und ich sehe wohl, warum das so ist. Er ist mir auf seltsame Weise sympathisch, wie er es vielleicht nicht so schnell sein sollte. Aber wer bin ich, mich dieser Familie unnötig zu verschließen. Wir haben mehr gemein als uns lieb ist. Ich glaube, das hat er verstanden. Bleibt zu erfahren, ob er bereit ist, mir seine Schwester anzuvertrauen.

Eine neue Füchsin beschnuppert den Bau. Doch sie ist scheuer als jene, die wir bisher so hätten nennen können. Ihre Geschichte behält sie weitgehend für sich, wohl aus Schutz für alle, die sie sonst hören könnten. Sie sagt, mein Drang ihr zu helfen würde mich irgendwann ins Verderben treiben. Wahrscheinlich hat sie Recht damit. Nicht, dass mich das aufhalten würde.

Einen Hauptmann haben wir inzwischen. Ehemaliger Sodalt des Kaiserreiches. Besser, noch immer Sodalt. Sozusagen befristet auf Urlaub, ob er will oder nicht. Ein aufrichtiger Mann, der sich sicherlich anderes vorgestellt hat als diese Art von Graf. Dennoch arrangiert er sich erstaunlich gut mit der Situation. Er hat nunmehr die Ausbildung von Ronyssa an den Waffen und im Kriegshandwerk übernommen. Ich habe selten einen traurigeren Anblick gesehen… Nichts wird sie von diesen Studien abhalten. Doch gleichzeitig kann ich mir keinen schrecklicheren Anblick vorstellen als sie, die für eine Schlacht trainiert. Ein Zweikampf ist eine Sache. Aber ein ganzer Krieg?

Gartub indes ist so ziemlich der unglücklichste Ork, den ich kenne. Ich bin mir nicht sicher, wie ihm noch zu helfen ist. Selbst wenn ich ihm genau jetzt sein Schwert in die Hand drücken würde, so würde sich die Geste für ihn noch leer anfühlen und ihm wäre nicht geholfen, weil ich seinen Eid durch Missachtung klein halte. Er kennt fast jede dunkle Seite dieses Hauses – nur wünschte ich, er würde gelegentlich auch die hellen sehen. Auch wenn sie ihm nicht genügen. Sie sind hier. Jeden Tag.

Frei sein sollte ich heute. Froh. Dennoch fühle ich mich seltsam bedrückt. Vielleicht lenkt die Reise nach Wayrest ab. Es ist gut, dass Ronyssa zurückbleibt. Sie hat das Lächeln ihres Vaters verdient, nicht seinen Schwermut, der noch dazu völlig ungerufen kommt. Bis zu meiner Rückkehr wird sich das geändert haben. Vielleicht gibt es dann auch in anderen Belangen Neues.

Vielleicht tut auch der Löwin ein wenig Zeit mit ihrem Bruder gut, ohne fürchten zu müssen, dass sie mich vor ihm zu rechtfertigen hätte. Ich frage mich, wer von ihnen härter mit sich selbst ins Gericht geht – sie dafür, in diese Verhältnisse geraten zu sein oder er dafür, es nicht aufgehalten zu haben. Beide tragen keine Schuld. Beide werden sie für sich selbst suchen, nicht für den anderen. Ich werde ihn bald fragen müssen – wenn also schon nichts an ihrem Stiefsohn zu ändern ist, dann doch wenigstens an der Perspektive für sie.

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