Ins Licht

“Wer sich nach Licht sehnt, ist nicht lichtlos, denn die Sehnsucht ist schon Licht.” – Bettina von Arnim

Die Sonne ging langsam unter und tauchte die fernen grünen Hügel in ein sanftes Rotgold. Der Himmel und die Wolken zeigten ein prächtiges Farbenspiel von Blau zu Violett, tiefen Rot und den letzten goldenen Sonnenstrahlen. Hätte man ein Bild davon malen wollen, es wäre kaum möglich gewesen, diese besonderen Farbgebung einzufangen.

Nicht nur die Hügel wurden so hervorgehoben. Auch das grüne Labyrinth, in dem zwei Personen unbehelligt beisammen standen, stach so besser hervor, ließ die geschnittenen Gänge noch etwas mysteriöser, eindrucksvoller wirken. Der Wind trug nur noch leise die Musik des Sommerballs im Hauptgebäude herüber. Gerade laut genug, um noch wahrgenommen zu werden. Leise genug, um nicht zu stören.

Eine Frau und ein Mann standen so beisammen, beide edel gekleidet, beide Gäste des Abends. Beide freundlich, mit wachen Augen. Und beide nicht von hier.

“Ich bin überrascht. Solltet ihr tatsächlich zuhören und interessiert sein, was man sagt? Die anderen hier scheinen eher zuzuhören, weil es die einzige Beschäftigung ist für die Zeit, in der man darauf wartet, bis man endlich von sich selbst erzählen kann.” Die wohlklingende Stimme der Frau tat wenig dafür die scharfe Verachtung, die sie wohl gegenüber so manch anderem Gast empfinden mochte, zu verschleiern. “Oh…”, machte sie gespielt überrascht und hob die Hand bis knapp vor den Mund. “Bin ich euch etwa zu offen?”

Alestan zog sich lächelnd den Hut vom Kopf und fächelte sich ein wenig Luft zu. “Eure Offenheit, vergebt mir, mag wohl eher als Ablenkung dienen. Die Aufmerksamkeit von dem weglenken, was es wirklich zu sehen, zu hören gibt. Deswegen schweigt ihr dann und wann gerne, nicht wahr? So kommt euch keiner auf die Schliche.”

Ob er sie nun herausfordern wollte oder nicht, geschafft hatte er es jedenfalls. “Und was glaubt ihr dort zu sehen, Graf?”

Der Mann sah an ihr vorbei in die Ferne, zu den Lichtern der Festlichkeit, die immer heller hervorstachen. “Das weiß ich noch nicht. Aber ein Reh sehe ich beim besten Willen nicht.”

“Dann sehr ihr wohl etwas anderes als der Rest.”

“Möglich.” Die Augen waren wieder bei ihr. Beide hoben sich mit jedem Augenblick immer weniger gegen das präzise geschnittene Blattwerk der Büsche ab. “Ich glaube, ihr wollt entdeckt werden.”

“So, glaubt ihr das.” Es war kaum zu deuten, ob sie an dieser Stelle mit oder über ihn lachte. “Ich werde sehr gespannt darauf sein, wie ihr dieses Rätsel zu lösen gedenkt.”

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