Der eine Gott – der Gott des Einen

Wind,

ich wünschte, du wärst hier, damit ich dir von dem berichten kann, was ich heute Nacht träumte. Es war so lebendig, Bruder, dass ich nach dem Erwachen Zeit brauchte zu realisieren, dass ich nicht mehr schlief, dass das Geträumte nicht wahr ist.

Ser Askara. Du würdest sie mögen. Ja, sie ist ein Mensch. Aber sie versteht, dass Führung wichtig ist und warum. Und soweit ich das überschauen kann, gibt sie sich alle Mühe, gut zu führen. Wiederum über ihre Anführerin möchte ich das noch nicht behaupten. Trotzdem. Ser Askara trägt es mit Würde. Ich frage mich manchmal, wie lange sie sich schon kennen.

In meinem Traum richtete Ser Askara ein Fest aus, dessen Grund ich nicht mehr erinnere. Aber ich erinnere mich sehr genau daran sie gesehen zu haben und ihre Knappin. Yanosh sah ich nicht. Auch Diego und Wietold waren nirgends auffindbar. Dafür aber eine Frau, die nach Veilchen roch und mir zulächelte. Aber eine solche Frau sucht nicht nach der Gesellschaft von jemandem wie mir. Das Fest allerdings war angenehm und gelöst. Fast heimisch habe ich mich gefühlt, auch wenn es hier im Süden stets zu warm ist.

Doch dann tauchten Fremde auf. Allesamt in schwarz gerüstet, von Kopf bis Fuß. Die meisten von ihnen in Rüstungen aus Metall. Nur wenige in Stoff oder Leder. Auch ihre Waffen hatten sie gezogen. Ser Askara und die, die ich kannte, verschwanden alsbald. Ich blieb zurück mit jenen, die sich den Fremden in den Weg stellen wollten, auch wenn wir alle wussten, dass wir nicht genügend waren. Nicht ausreichend gerüstet oder bewaffnet. Aber entschlossen, wenn auch nur, um den anderen die Zeit zu kaufen, die sie brauchten sich in Sicherheit zu bringen.

Ehe ich es mir versah stand ich vorn. Alles in mir schrie mich an, mit welcher Art Mensch ich es hier zu tun habe. Die Art, die unser Dorf niederbrannten. Die Art, die auch plünderten. Die eigene Rasse. Die Art, die sich am Schmerz anderer labten. Ich erinnere mich, dass ich mich ihnen in den Weg stellte. “Ich verfluche euch! Ihr, die ihr Monster seid, nicht Menschen! Bestien, die sich an ihresgleichen vergehen und weder selbst Gnade kennen noch die der Götter je gekannt haben! Verflucht sollt ihr sein!” Jedes Wort habe ich gemeint.

Keines davon half. Sie sprachen von einem Gott, den ich nicht kannte und der selbst keine anderen neben sich duldete. Dass uns alle seine Feuer holen würden und wir in dem, was sie Hölle nannten, bis in alle Ewigkeit schmoren würden. Einen Moment später sank ich zusammen, weil einer der langen Spieße in meinen Bauch stach. Eine Weile hörte ich sie noch reden, während ich mir bewusst war, zu sterben.

Dann lag ich da. Unfähig mich zu rühren. Nichts mehr fühlend. Wie über meinem eigenen Körper schwebend und bedauernd, so schnell gefallen zu sein. Kaum mehr als den Takt eines Liedes an Zeit hatte ich erkauft.

Und doch. Plötzlich spürte ich zwei Hände, die sich jeweils an meine Halsseite legten, hörte ein Flüstern, das ich nicht verstand. Mein Körper hatte sich zu entscheiden, ob er Asche wollen würde oder neu erstehen. Die Entscheidung fiel zum Leben!

Also stand ich wieder auf, noch immer das Gelächter der Fremden in den Ohren, die sich wenig beeindruckt zeigten, auch wenn mich eine andere Frau gerade von den Toten zurückgeholt hatte. Wo mein Blick vorher unstet gewesen war und möglicherweise Angst zeigte, meine Stimme einen hilflosen Fluch formte, waren meine Augen jetzt fest, auf eine völlig andere Art entschlossen. Meine Stimme war diesmal nicht erhoben. Gehört wurde sie dennoch von jedem der Eindringlinge: “Ich verfluche euch. Keine Frau, kein Liebchen, keine Gattin oder Dirne soll durch euch noch Erfüllung finden, wie auch ihr an ihnen keine mehr finden werdet. Verzehren sollt ihr euch nach ihnen, stets gewiss, dass ihr keinen Wert mehr für sie habt. Eure schändlichen Taten sollen euer Unvermögen nähren, bis auch der letzte von euch ohne Nachkommen von dieser Welt gewichen ist. Möge Wind eure Namen in die Vergessenheit tragen!” Darauf waren sie still. Mit weiten Augen sahen sie mich an und ich gestehe, ich genoss den Geruch nach ihrem Zweifel, nach ihrer Angst, ich könne recht behalten mit meinen Worten über sie. Ohne einen weiteren Schlag machten sie kehrt und verließen uns.

Ob jemand aus unseren Reihen starb, weiß ich nicht. Aber ich erinnere mich, dass die Feierlichkeiten sodann in Frieden fortgesetzt werden konnten und sogar noch andere fremde Gäste empfangen wurden, die ihrerseits aber nur Freude mit uns teilten und uns glücklicher verließen als sie gekommen waren.

Wind… Nun weiß ich, welches Geschenk Ser Askara zu ihrem Sommerfest erhalten muss. Gleichgültig was sie selbst dazu denkt.

Du fehlst mir wie nichts sonst auf dieser Welt.

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